Der Dialog als zentrale Haltung für das Gelingen von kompetenzorientierten Unterricht

Über das Schaubild möchte ich verdeutlichen, warum wir Unterricht in Deutschland anstelle marginaler Veränderungen komplett transformieren müssen.

① Aus der Handlungsstruktur aus der Psychologie wissen wir, dass wir in unserem Leben durch Erfahrungen Handlungsschemata verinnerlichen. Kommen wir in eine bekannte Situation, können wir diese mit unseren gespeicherten Handlungsschemata gut bewältigen. Kommen wir in eine neue Situation, versuchen wir diese zunächst mit Hilfe unserer alten Handlungsschemata zu bewältigen. Das Bestehen der neuen Situation gelingt jedoch nur, wenn wir in der Lage sind, vorhandene Handlungsschemata zu erweitern und anzupassen. Somit entstehen neue Handlungsschemata. ② Voraussetzung hierfür ist jedoch die Fähigkeit, die neue Situationen zu beurteilen. Und dazu benötigen wir Kompetenzen wie sie zum Beispiel im Deutschen Qualifikationsrahmen für ein lebenslanges Lernen sehr gut qualitativ und quantitativ beschrieben sind (www.dqr.de). ③ Diese Beurteilung findet immer mit Emotionen statt. Es treten u.a. soziale Probleme, Konfrontationen und Kommunikationsprobleme auf. Im Idealfall ergibt sich dabei eine Mitwirkung an Entscheidungsprozessen und es entsteht eine Selbstwirksamkeit. ④ Die Gestaltung solcher Kompetenzen fördernden Lernarrangements müssen jedoch vor Ort in der Schule von den Beteiligten in gesellschaftlichen Willensprozessen, die an Kriterien lebenspraktischer Vernunft gebunden sind, ausgehandelt werden. ⑤

Die Umstellung in handlungsorientierte Lehrpläne im dualen System erfolgte vor mehr als zwanzig Jahren genau durch einen solchen gesellschaftlichen Willensprozess über die Neuordnung der elektrotechnischen Berufe. Zur Zeit werden in den Vollzeitbildungsgängen vorhandene Lehrpläne durch kompetenzorientierte Bildungspläne ersetzt. Wichtigstes Merkmal ist die kontextbezogene Verknüpfung von Wissen und Kompetenzen in Lernsituationen.

Das Wissen als zentraler Inhalt von Unterricht wurde/ wird durch Kompetenzen ersetzt. In vielen Bildungsplänen ist dieses schon verbindlich festgeschrieben. Das ist schon für sich eine gigantische Transformation der Bildungsinhalte von Schule. Diesem Prozess müsste jedoch eine Transformation der Schule selbst als Institution folgen.

Zentraler Kern dieser Transformation sollte meiner Meinung nach eine Haltung sein, die unter allen Beteiligten (außerhalb und innerhalb der Schule) eine Dialog-Kultur zulässt. Außerhalb von Schule funktioniert das zum Teil schon sehr gut (Neuordnung von Berufen, DQR). Ein Paradebeispiel ist die kompetenzorientierte Ausbildung von Kindertagespflegepersonen nach dem QHB. Sobald jedoch die Institution Schule ins Spiel kommt, ist ein Dialog nicht institutionalisiert. Weder in der Schulorganisation noch im Unterricht. In der Schule müssen alle Beteiligten, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler an der Organisation und Umsetzung von Lernprozessen partizipiert werden. Über den Dialog wird (im Ideal) ein gemeinsames Verständnis von Lernen erzeugt. ⑥

Spätestens seit Hättie wissen wir, dass mit Rückmeldung über den Lernerfolg nicht die Note einer Lernerfolgskontrolle gemeint ist. Auch die Hirnforschung hat viele wesentliche Erkenntnisse über das Gelingen von Lernen herausgefunden. Diese für den Lernerfolg entscheidende Erkenntnisse müssen endlich in die Gestaltung von Lernarrangements einfließen.

 

So könnte die Umsetzung der in der Institution Schule aussehen: ⑦

  • Der Wissenserwerb wird durch Kompetenzerwerb erweitert. Dieses kann nur durch eine Änderung der Unterrichtsarrangements erfolgen, die es auch zulassen, allumfängliche Kompetenzen zu erwerben (dazu gehören auch Konflikte und wie diese gelöst werden können)
  • Der überwiegend übliche Frontalunterricht wird durch fächerübergreifenden Projektunterricht abgelöst, der kontextbezogene Problemstellungen aufgreift und Handlungsprodukte zulässt
  • Das Planungsmonopol der Lehrerinnen und Lehrer (L. u. L.) wird zu einer Kooperation mit den Schülerinnen und Schülern (S. u. S.)
  • Der Planungsprozess erfolgt über die Bildung eines gemeinsamen (L. u. S.) Verständnisses von Lehren und Lernen. Dieses setzt voraus, dass die L. u. S. Wissen über Lernen, methodische und soziale Fähigkeiten besitzen oder erwerben (Kompetenzen, z.B. nach dem DQR). Nur über die Ermöglichung einer Selbstwirksamkeit können SuS zu Experten für ihr eigenes Lernen werden. Und dann klappt es auch besser mit dem Distanzlernen.

Zur Umsetzung benötigen Schulen zusätzliche Ressourcen, die die Länder personell und die Kommunen als Schulträger materiell möglichst schnell zur Verfügung stellen müssen.

Der Gesetzgeber hat die Transformation der schulischen Bildung eingeläutet. Nun müssen auch die benötigten Bedingungen geschaffen werden. Dazu benötigen wir einen weiteren gesellschaftlichen Willensprozesses, der die Politik endlich zum Handeln nötigt/ zwingt. Ohne diese konzeptionelle Transformation wird auch die digitale Transformation in der Schule nicht gelingen, da alle Beteiligten, wie zur Zeit beobachtet werden kann, nicht die nötigen Kompetenzen besitzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert