Warum habe ich diesen Blog angefangen?
Schon im Referendariat wurde mir schon klar, was Herbert Gudjons in seinem Buch – Handlungsorientiert lehren und lernen: Schüleraktivierung – Selbsttätigkeit – Projektarbeit –1) mit „Projektarbeit ist ein Prinzip und keine Methode“ meinte:
„Ohne dieses konzeptionelle Kernelement , ja Herzstück der freien, selbstbestimmenden, nicht hierarchischen Problembearbeitung schrumpft Projektunterricht zu einer bloßen Methode zusammen, die sich sogar reibungslos in einen sehr traditionellen Unterricht einverleiben lässt.“
Gudjones formulierte daraus seine Prinzipien des handlungsorientierten Unterrichts Selbstbestimmung, Demokratie und Ganzheitlichkeit .
Vor ca. 100 Jahren vertraten Dewey und Kilpatrick schon: „Aus Untertanen und Unmündigen werden durch die Erziehungsphilosophie, die dem Projektunterricht zugrunde liegt, Gesellschaftsmitglieder, die durch wechselseitige Absprache und Verpflichtung ihre Verhältnisse selber regeln.“
Um in diesem Sinne zu unterrichten benötigten Lehrkräfte neben Fach- und Personalkompetenz auch eine gewisse Einstellung und Haltung zu einem humanistischen Menschenbild, welches dem Individuum erlaubt, die Dinge der Welt in Bezug zu setzten und die Auswirkungen zu beurteilen. Dies ist gerade in der digitalen Welt sehr von Nöten. Ich habe den Eindruck, dass in unserer Gesellschaft aktuell die Schule digitalisiert werden soll ohne über die Bildung nachzudenken.
Es gibt viele Interessenverbände die als Lösung die Einführung von Informatikunterricht als Hauptfach in der Sek. I und Sek. II fordern. Ich hinterfrage: Wie kann es sein, dass trotz des vielen Mathematikunterrichts so viele Menschen in unserer Gesellschaft Probleme bei der Berechnung von Prozenten bei Krediten, Riester-Rente oder Lohnnebenkosten haben? Trotz Physikunterricht können die wenigsten etwas mit den wichtigen Einheiten mAh, V, W, J und kWh anfangen. Und so nehmen viele einen elektrobetriebenen Tesla als energiesparendes Fortbewegungsmittel wahr, ohne die tatsächliche Energiebilanz abschätzen zu können. Dementsprechend wird dann auch falsch beurteilt. Ich könnte hier viele Beispiele anführen. Das sind jetzt keine einfachen Behauptungen, sondern meine Erfahrungen am Berufskolleg. Als Berufsschullehrer treffe ich auf die ehemaligen Sek. I und Sek. II Schülerinnen und Schüler, die nämlich nicht studieren, sondern eine Ausbildung machen oder den nächst höheren Schulabschluss erwerben. Und leider können wirklich die meisten eine lineare Funktion nicht in Bezug zu einem physikalischen Sachzusammenhang leisten, geschweige denn die lineare Funktion zur gesuchten Größe umstellen. Das ist sehr traurig, wenn man mal bedenkt, wieviel Mathe die in ihrem Leben schon hatten. Didaktische Frage: Was brauchen wir zur Beurteilung von Auswirkungen von Mathematikunterricht?
Was wir brauchen ist eine neue Diskussion über Bildung, auch in der digitalen Welt. Was nutzt es Schülerinnen und Schülern wenn sie mal im Unterricht gehört, gelernt oder thematisiert haben was Algorithmen sind, wenn sie die Auswirkungen nicht beurteilen können?
Projektorientierter Unterricht kann diese Verknüpfung leisten, wenn man ihn gut gestaltet. Dazu gehören die oben genannte Einstellung und Haltung, ein fundiertes didaktisches und pädagogisches Handwerkszeug. Welchen Nutzen haben konstruktivistische Lernarrangements, wenn die Konfrontationsphasen fehlen? Gut dass niemand sehen kann, ob Sie nun Konfrontationsphase googeln. 😉
Meiner Meinung nach benötigen wir keine fachsystematischen Fächer mehr. Wissen hole ich mir aus meinem Handy (die Aussage ist jetzt bewußt ein bisschen übertrieben). Wir benötigen Kontextbezüge in denen wir das fachsystematische Wissen verknüpfen und in Beziehung setzen und beurteilen. Dabei setzen wir Synergieeffekte frei, die es uns endlich erlauben in Schule auch die Selbstkompetenzen zu fördern. Und dabei können uns Computer und die Vernetzung der Welt sehr gut unterstützen weil sie uns ganz neue Dimensionen eröffnen.
In diesem Blog möchte ich gerne meine Erfahrungen mit fächerübergreifenden Projektunterricht zur Verfügung stellen. Ich möchte aber auch kritisch hinterfragen, was gerade zur Digitalisierung, der Informatischen Bildung und der Bildung in der digitalen Welt diskutiert wird und dieses in Bezug zur Unterrichtsrealität setzen. Ich möchte in dieser Diskussion der Lehrerinnen- und Lehrervertreter sein. Uns fragt man viel zu selten, was wirklich geht und was nicht. Was bräuchten wir, damit es geht?
- ) Ein kleines aber feines Buch, das meiner Meinung nach, zur Pflichtlektüre von Lehrerinnen und Lehrern gehört.
Zu meiner Person:
Ich war über zwei Jahrzehnte Lehrer an verschiedensten Berufskollegs mit den Fächern Physik und Elektrotechnik. Überwiegend habe ich im dualen System in allen Elektronikerberufen und in Assistenten-Bildungsgängen der Fachrichtungen Physik- und Informationstechnik unterrichtet. Vorher habe ich komplett den so genannten zweiten Bildungsweg von der damals noch 9-jährigen Hauptschule, über die zwei jährige Berufsfachschule, einer Ausbildung und der Fachoberschule den Weg zur Uni beschritten. Lehramt durfte ich jedoch erst nach bestandenem Vordiplom in Elektrotechnik studieren. Während des Studiums habe ich mich schon intensiv mit dem Institutionellen Schulentwicklungsprogram beschäftigt. Damals wurden die ersten Umsetzungsschritte eines handlungsorientierten Unterrichts diskutiert und in der Didaktik herrschte eine große Umbruchstimmung. Im Referendariat kam die große Enttäuschung. Denn in den Berufskollegs hatte man noch gar nichts davon mitbekommen und auch in den Seminaren begann man erst zaghaft mit der Umsetzung. Wir hatten noch acht Lehrproben und zwei Unterrichtsversuche pro Fach und da meine Fachleiter sehr offen waren, konnte ich sehr viel ausprobieren und schon frühzeitig Erfahrungen mit handlungsorientierten Unterrichtsarrangements sammeln.
Als Beauftragter für Qualitätssicherung und Schulentwicklung an einem Berufskolleg leitete ich eine Schulentwicklungsgruppe. Ich besitze Erfahrungen mit der Durchführung von kollegialen Fallberatungssitzungen, schulinternen Fortbildungen zur Qualitätssicherung/Evaluation in verschiedensten Bildungsgängen und didaktischen Tagen (z.B. Leitbildentwicklung an einem Berufskolleg). Dabei setzte ich verschiedenste Umfragewerkzeuge, wie z.B. SEIS, Grafstat und ISF-Schulbarometer ein.
Ich verfüge über langjährige Erfahrungen bei der Umsetzung fächerübergreifenden projektorientierten Unterrichts und dem Unterricht mit „neuen“ Medien. An der Universität Duisburg-Essen hatte ich mehrere Jahre einen Lehrauftrag, in dem es um die Gestaltung von konstruktivistischen Lernarrangements mit Moodle ging.
Leider kann ich zur Zeit aus gesundheitlichen Gründen diesem tollen Beruf nicht mehr nachgehen.